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Wie kann ich selber meine Herzrhythmusstörung in Zeiten von Apple & Co diagnostizieren? Eine Anleitung für Nicht-Ärzte

Herzrhythmusstörungen sind eine häufige Geschichte, häufiger als man vielleicht annehmen würde. Viele Betroffene erzählen nichts davon, wodurch fälschlicherweise der Eindruck entsteht, dass es sich um eine seltene Erkrankung handelt. Tatsächlich hat aber jeder Mensch schon sein Herz unrhythmisch oder stark schlagend oder viel zu schnell wahrgenommen. Das kann, v.a. wenn solche Zustände häufiger auftreten, Anlass zur Sorge sein. Wöchentlich kommen v.a. viele junge Menschen in meine Praxis, um sich diesbezüglich untersuchen zu lassen.

Das Problem bei der Diagnose von solchen Herzbeschwerden ist, dass es nicht nur „die eine“ Herzrhythmusstörung gibt, sondern viele verschiedene. Sie können von völlig harmlos und normal bis zu wirklich gefährlich variieren. Ursächlich sind verschiedene Mechanismen, die dann therapeutisch von keiner Behandlung bis hin zum Herzkatheter-Eingriff sehr unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Trotzdem, die harmlosen Ursachen sind deutlich häufiger.

Welche Beschwerden spüren die Patienten?

Rhythmusstörungen können sehr kurz, also bloß 1 bis 2 Sekunden, dauern. Dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einfache Extrasystolen. Diese können als unrhythmischer Herzschlag, „kurzes Stehenbleiben des Herzens“ oder auch als „starker Herzschlag, den man im Hals spürt“ wahrgenommen werden. Sie können singulär oder auch in Gruppen über einen längeren Zeitraum auftreten. Andere Rhythmusstörungen können mehrere Minuten bis Stunden dauern. Wichtig für den Arzt ist dabei, wie es dem Patienten währenddessen geht. Liegt das Problem nur in der Wahrnehmung („Herzklopfen, Stolpern, Aussetzer, Stechen“ etc.) und erzeugt es eventuell Angst oder Panik oder ist die Rhythmusstörung wirklich so massiv ausgeprägt, dass der Patient Kreislauf-Probleme mit Schwindel, Atemnot oder sogar einem Kreislauf-Kollaps bekommt. Je schneller die Herzfrequenz bei der Herzrhythmusstörung ist, umso eher entstehen Kreislaufprobleme. Wobei wir bei einem zentralen Problem der Herzrhythmusstörung sind: die Herzfrequenz (= die Pulsfrequenz) während der Herzrhythmusstörung.

Wie schnell ist der Puls?

Dauert die Herzrhythmusstörung nur 2 Sekunden, dann ändert sich die Herzfrequenz nicht, wenn sie aber mehrere Sekunden oder Minuten andauert, dann ist es für den Kardiologen wichtig zu wissen, wie schnell denn die Rhythmusstörung war. Erfahrungsgemäß ist das ein Punkt, den Patienten nicht beantworten können, da sie in diesem Moment sehr mit der subjektiven Wahrnehmung beschäftigt sind und meist Angst oder Panik aufkommt. Der Patient nimmt das Ereignis oft als dramatisch wahr und ist davon überzeugt, dass es wohl „sehr schnell“ gewesen sein muss. Tatsächlich kann das Herz in solchen Situationen mit Frequenzen von über 200/min schlagen (gefährlich). Es kann aber auch sein, dass die tatsächliche Herzfrequenz nur bei 150/min liegt (schnell, aber nicht gefährlich) oder sogar nur bei 90/min (harmlos).

Daher ist es wichtig, dass der Patient trotz Angst versucht, die Herzfrequenz zu messen. Im einfachsten Fall schaut man 60 Sekunden auf seine Uhr (oder Uhr am Handy), legt den Finger auf die Halsschlagader und zählt die Pulsschläge mit. Bei sehr hohen Frequenzen kann das auch schwierig sein, aber man weiß dann zumindest, dass es tatsächlich sehr schnell ist. Alternativ kann man eine Pulsuhr verwenden, die den Puls automatisch anzeigt, oder man hat eventuell zuhause ein Blutdruckmessgerät zur Verfügung, dass ja neben dem Blutdruck am Display als dritten Wert auch den Puls (= Herzfrequenz) anzeigt. Mit dieser Information kann man dann schon einmal sehr grob sagen, ob es sich um eine gefährliche (also sehr schnelle) Herzrhythmusstörung handelt oder nicht (langsame). Auch die Frage, ob die Herzrhythmusstörung plötzlich (also „wie wenn man einen Schalter einschaltet“) oder eher langsam beginnt und langsam wieder abebbt, kann bei der richtigen Zuordnung eine Rolle spielen.

Das Anfalls-EKG

Leider gibt uns aber selbst das Wissen über die Herzfrequenz immer noch nicht genügend Information, um sagen zu können, welche Herzrhythmusstörung nun genau vorliegt. Immer noch gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Und um das aufzulösen braucht man ein sogenanntes „Anfalls-EKG“. Also ein EKG, das genau während der Herzrhythmusstörung aufgezeichnet (und auch irgendwie dokumentiert) wird.

Es reicht nicht, nach einem derartigen Anfall den Arzt aufzusuchen und dort ein EKG schreiben zu lassen, wenn in der Zwischenzeit wieder der normale Herzschlag vorliegt. Und das ist leider in der Diagnosefindung oft der kritische Punkt, da die Herzrhythmusstörung für die Patienten zumeist völlig überraschend und unvorhersehbar auftritt und in solchen Momenten kaum ein Arzt mit einem EKG im Nachbarraum auf einen wartet. Ist man dann endlich beim Arzt, ist der Spuk schon wieder vorbei und man hat nichts Greifbares, oft nicht einmal die Information wie schnell der Puls denn nun wirklich war (siehe oben!). Ein Besuch beim Arzt kann sich aber trotzdem lohnen.

Untersuchung beim Arzt

Wenn man beim Kardiologen oder Internisten ist, dann sollte man sich klarerweise das Herz untersuchen lassen. Und zwar mit einem normalem Ruhe-EKG und einem Herz-Ultraschall (Echokardiographie). Auch wenn im Ruhe-EKG die Herzrhythmusstörung nun sehr wahrscheinlich nicht vorliegt, kann man zumindest feststellen, ob das EKG vom Kurvenbild normal ist oder nicht. In seltenen Fällen ist es auch möglich, im Ruhe-EKG Hinweise auf die Ursachen der Herzrhythmusstörung zu finden (zum Beispiel beim sog. WPW-Syndrom). Danach macht man den Herz-Ultraschall. Hierbei werden die Struktur und Funktion des Herzens überprüft. Sind sowohl das Ruhe-EKG als auch der Herz-Ultraschall unauffällig, kann man mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass der ganzen Problematik keine andere schwere Herzerkrankung zugrunde liegt und auch das nächste Herzrasen gut überstanden werden kann. Finden sich aber bei diesen beiden Untersuchungen Auffälligkeiten, dann stehen diese wahrscheinlich mit den Herzrhythmusstörungen in Zusammenhang und müssen natürlich weiter abgeklärt werden.

Womit aufzeichnen?

Für die Frage, womit sie Ihre Herzrhythmusstörung nun aufnehmen wollen, braucht man an sich keinen Arzt, sondern nur die Information, welche Art von Geräten (neudeutsch Devices) dafür generell zur Verfügung stehen. Und da gibt es mittlerweile einiges, seit der amerikanische Chemiker Norman Holter 1954 als erster drahtlos ein EKG übertrug. Sein damals 45 kg schweres (aber mobiles) EKG-Übertagungsgerät in Form eines Rucksacks war zwar enorm innovativ, aber letztlich auch etwas unpraktisch. Und sehr anonym war man damit wohl auch nicht unterwegs.

Moderne 24-Stunden-EKG-Geräte (eben sog. Holter-EKGs) sind da schon praktischer, etwa so groß und schwer wie ein Handy nehmen präzise und geräuschfrei jeden Herzschlag (und somit jede Rhythmusstörung) über 24 Stunden auf. Problem gelöst!? Leider meistens nicht. Denn die meisten Patienten haben ihre Rhythmusstörungen nun mal nicht täglich. Und selbst wenn man diese durchschnittlich an 6 von 7 Tagen pro Woche hat – was ich Ihnen aus leidlicher Erfahrung bestätigen kann – ist die Chance sehr groß, dass sie an genau dem Tag, an dem sie das Gerät tragen, die Rhythmusstörung nicht haben werden. Verantwortlich dafür diesmal ein anderer Amerikaner, nämlich der Ingenieur Edward Murphy, der diese unglaubliche Gesetzmäßigkeit von Dingen, die schief gehen können, in „Murphy’s Law“ treffend zusammen gefasst hat (aber das ist eine andere Geschichte).

Jedenfalls wird man Ihnen in jeder Ordination zuerst im Rahmen von Rhythmusstörungen ein 24-Stunden-EKG anbieten und darauf hoffen, dass sie an diesem Tag auftritt und am Recorder verewigt werden kann. Man wird es Ihnen v.a. deswegen anbieten, weil es Jahrzehnte lang keine Alternative gab, alle Ordinationen damit reichlich ausgestattet sind und es eine gute Refundierung der Krankenkasse für den Arzt gibt.

Hier folgender Tipp: entweder lassen Sie sich am Gerät die „Markierungstaste“ zeigen um genau den Moment der (subjektiv empfunden) Rhythmusstörung für den Arzt zu markieren („hier genau war mein Problem“) – somit lässt sich dann im EKG alles klar zuordnen – oder Sie schreiben sich ein Mini-Protokoll und halten genau fest, um wieviel Uhr das Problem aufgetreten ist. Dann kann man nachher mit der Zeitachse der Aufnahme vergleichen und sehen, was zum Zeitpunkt X genau im EKG zu sehen war. Wenn aber eine Rhythmusstörung nun nicht am 24-Stunden-EKG aufgezeichnet werden konnte, weil sie zum Beispiel nur 1x/Monat auftritt (und solche Fälle sind leider die Mehrzahl), dann sollte man die Abklärung hier nicht beenden, sondern die Sache aktiv weiter vorantreiben. Nur wie?

Alternativen zum 24-Stunden-EKG

Das kommt nun darauf an, wie lange die Rhythmusstörung dauert, aber auch wie oft sie vorkommt. Wir haben uns oben darauf geeinigt, dass bei einer Häufigkeit von 1x/Woche oder weniger ein 24-Stunden-EKG mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Misserfolg zur Folge haben wird. Ein neueres Gerät ist der sog. Event-Recorder. Auch etwa so groß wie ein Handy, braucht er in der Regel keine Verkabelung und kann über mehrere Wochen ausgeliehen werden. Man hat ihn also immer dabei, ob im Mantel, in der Handtasche oder am Nachtkästchen. Solche Geräte sind mittlerweile auch als „Heim-EKGs“ zum Kaufen erhältlich. Wenn dann endlich die Rhythmusstörung wieder da ist, wird das Gerät eingeschaltet und je nach System über die Hände oder durch direktes Auflegen auf die Brust ein EKG über 30 Sekunden bis 2 Minuten abgeleitet. Stillhalten ist empfehlenswert, um Verwackelungen vorzubeugen. Wenn die Rhythmusstörung länger dauert, sollen mehrere Aufzeichnungen gemacht werden. Wenn Sie alles sicher im Kasten haben, werden die Daten zum Arzt gesendet oder das Gerät retourniert und der Arzt kann nun mit hoher Wahrscheinlichkeit Ihre Rhythmusstörung korrekt zuordnen und die richtige Therapie veranlassen.

Für Rhythmusstörungen, die länger als 20 Minuten anhalten, kann man (wenn es der Kreislauf erlaubt) erwägen, zum nächsten Arzt oder in die nächste Ambulanz zu gehen, um dort ein akutes Anfalls-EKG schreiben zu lassen. Ist es so schlimm, dass man sich nicht mehr hinaus traut, kann auch die Rettung gerufen werden. In allen Fällen gilt: lassen Sie sich eine Kopie des EKG-Streifens für den Kardiologen mitgeben oder fotografieren Sie das EKG zumindest mit Ihrem Handy!

Für Rhythmusstörungen, die extrem selten (also z.B. nur einmal pro Jahr) auftreten und mit schwerwiegenden Folgen verbunden sind (also z.B. Ohnmachtsanfälle – sog. Synkopen – mit Kopfverletzungen), kann auch eine implantierbare Variante des Event-Recorders, der sog. Loop-Recorder, erwogen werden. Der Loop-Recorder hat etwa den Durchmesser eines Bleistifts, aber nur ein Drittel seiner Länge. Das Gerät kann durch einen mini-Schnitt in der Haut im Bereich der Herzgegend in das Unterhautfett geschoben („implantiert“) werden. Dort sitz der Loop-Recorder dann und zeichnet fortwährend Ihren Herzschlag auf. Wenn eine Rhythmusstörung aufgetreten ist, kann man am nächsten Tag in die Klinik gehen und bequem das EKG während des Zeitpunkts der Rhythmusstörung auslesen. Ist das erfolgreich und der Mechanismus geklärt, kann das Gerät unkompliziert wieder entfernt werden.

Es geht aber auch einfacher: die iWatch

Im Prinzip kann die iWatch alle diese Geräte ersetzen. Glücklich somit der- oder diejenige, die sich zur gegebenen Zeit für ein iPhone und gegen das südkoreanische Android-Model entschieden hat. Denn Apple hat hier momentan die Nase vorne. Aber auch Huawei bietet ein brauchbares System an.

Worum geht es da genau? Pulsuhren sind seit einigen Jahren nicht mehr nur für Marathonläufer ein beliebtes Gadget, sondern werden von fast allen Hobbysportlern gerne benutzt, um das Training und alle möglichen anderen Lebenssituationen ausgiebig zu vermessen und über das – zumeist angehängte – GPS-Tool zu kartografieren. Es gibt kaum eine Lebenssituation mehr, in der wir nicht genau unseren Puls kennen, sei es im Tiefschlaf, an der Supermarktkasse oder beim Rollerskaten.

Der Puls hilft uns bei der Rhythmusstörung weiter. EKG gibt es aber auf solchen Pulsuhren nicht. Und das brauchen wir. Die iWatch hat nun zusätzlich zum optischen Pulssensor (das grüne Blinklicht auf der Rückseite der Uhr – eine App die als Medizinprodukt zugelassen ist) 2 weitere elektrische Sensoren. Einer befindet sich ebenfalls an der Rückseite der Uhr, der andere befindet sich in der „Digital Crown“, also dem seitlichen Messing-Drehknopf der iWatch. Legt man dort den Finger der anderen Hand auf schließt sich nun der Stromkreis und die Uhr leitet über 30 Sekunden ein EKG von erstaunlich guter Qualität ab. Die dafür nötige App ist auf der Uhr (iWatch 4 und 5) bzw. am dazugehörigen iPhone (Modell 6 oder höher) fix vorinstalliert.

Das EKG kann praktisch ohne zeitliche Verzögerung jederzeit und so oft wie gewünscht geschrieben werden. Ist man mit der Aufnahme zufrieden kann man die Daten kinderleicht in ein pdf umwandeln und wenn gewünscht sofort per Email verschicken. Einzige Voraussetzung: man muss sich die Uhr (zusätzlich zu seinem iPhone) leisten und man muss sie natürlich auch immer tragen. Somit ist man unabhängig von allen Aufzeichnungsgeräten und kann jederzeit selber tätig werden, wenn es nötig ist. Die App wurde eigentlich für eine spezielle Herzrhythmusstörung namens „Vorhofflimmern“ entwickelt, die häufig vorkommt und zumeist ältere Menschen betrifft. Diese spezielle Rhythmusstörung kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Uhr selber erkannt und diagnostiziert werden. Für andere Rhythmusstörungen gilt das nicht. Aber das ist egal. Wenn Sie das Problem aufgenommen haben, dann suchen Sie damit einfach Ihren Arzt auf und können mit hoher Wahrscheinlichkeit die Rhythmusstörung benennen und die Behandlungsmöglichkeiten besprechen.

Dr. Stefan Pfaffenberger - Internist und Facharzt für Herzerkrankungen

Priv.Doz. Dr. Stefan Pfaffenberger ist Facharzt für Innere Medizin & Kardiologie, Spezialist für alle Probleme rund um Herz, Kreislauf und Blutdruck.

Herzrythmusstörungen per App diagnostizieren